Die Eibenkapelle von Lützerath

Historisches

Eine Karte mit der Jahreszahl 1850 zeigt an dieser Stelle einen Kapellenbau. Darstellungen dieses Kapellenbaus sind nicht erhalten, und in einer Quelle wird die Karteneintragung als Fehldeutung der vorhandenen Umrandung und der 4 Stufen zum Grund der Umfriedung aufgefasst. Lützerath soll nie mehr als 100 EinwohnerInnen gehabt haben und auch keine Kirche oder Kapelle. 1867 wurde hier jedoch ein neugotisches Kreuz errichtet, welches in der Folge einer sogenannten Volksmission in der Immerather Pfarrei errichtet worden sein soll. Das Grundstück für dieses Wegekreuz wurde von den damaligen EigentümerInnen des Wachtmeisterhofes gestiftet und von ihnen auch betreut.

Über den Verbleib des neugotischen Wegekreuzes mit der Jahreszahl 1867 gibt es verschiedene Informationen. Nach einer Quelle soll es 2017 bereits in Immerath (Neu) wieder aufgestellt worden sein. Nach einer anderen Quelle wurde es zur Restauration zu einem Restaurator verbracht und lagert in dessen Werkstatt.

 

Die Wiederentdeckung

Die kleine Umfriedung an der Ecke von Eckart Heukamps Hof war im Sommer 2021 zwar noch dem einen und der anderen BesucherIn von Lützerath bekannt. Bei den meisten aber war dieser Ort jahrhundertelangen religiösen Innehaltens in Vergessenheit geraten, denn zu diesem Zeitpunkt war das Kreuz verschwunden und das Gemäuer mit der Einzäunung völlig von Gestrüpp verdeckt.

Ein Unterstützer aus dem Kreis von „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ wurde bei der Auswertung aktueller Katasterkarten und historischer Kartenwerke auf die kleine religiöse Anlage aufmerksam. Was er dann feststellte, war eine kleine Sensation: Im Grundbuch steht der „Pfarrfonds Immerath“ als Eigentümer. Bis heute ist also das kleine Grundstück Eigentum der Pfarrei Immerath bzw. ihrer Nachfolgeorganisation, der Pfarrei Christkönig Erkelenz. Nach Auskunft der RWE Power AG hat sich die Eigentümerin vertraglich verpflichtet, dieses Grundstück für die „bergbauliche Inanspruchnahme zur Verfügung“ zu stellen, vermutlich gegen eine entsprechende Vergütung. Im Sommer 2021 vertraute RWE Power auf die Gültigkeit dieses Vertrages.

Am 27. Juni legten Aktive von KiDl und der Mahnwache Lützerath den Zugang von der Straße zu dem kleinen Grundstück wieder frei. Sie entdeckten – historische Kapelle hin oder her – über dem fünfeckig eingefassten kleinen Grundstück ein wunderbares Kapellendach. Eine sehr alte Eibe hat sich im Lauf der Jahrzehnte rund um die Mauern vermehrt und sich in den Jahren der Vergessenheit mit ihren dichten Ästen über das Grundstück gewölbt. Die Menschen in Lützerath taufen diesen Ort der Selbst-in-Szene-Setzung der Schöpfung „Eibenkapelle“.

Der Kreuzweg für die Schöpfung und das Gorlebener Kreuz

Der Hannoveraner Landesbischof Ralf Meister nannte die Wiederauffindung dieser Kapelle – und insbesondere ihrer Besitzverhältnisse – einen „Fingerzeig Gottes“. Der evangelische Geistliche erfuhr von der Existenz dieses spirituellen Ortes anlässlich des „Kreuzwegs für die Schöpfung von Gorleben nach Garzweiler“, als er die PilgerInnen für das Leben auf ihrer 7. Etappe am 10. Juli 2021 persönlich in seinem Haus und Garten empfing und ihr von der Initiative Gorlebener Gebet gestiftete gelbe Holzkreuz segnete. Als die PilgerInnen nach ca. 500 Kilometern Fußmarsch am
1. August 2021 an der Eibenkapelle eintrafen, trugen zwei von ihnen dieses Kreuz in die Eibenkapelle, wo es nun die Sehnsucht der StifterInnen von 1867 nach einer menschenfreund-lichen und bewahrten Schöpfung aktuell macht.

Die Rolle der Eibenkapelle für die Bewahrung Lützeraths

Die „Eibenkapelle“ ist der physische Ort der sich religiös verstehenden Menschen, die nach Lützerath kommen, um zu verhindern, dass die Fahrt in den Abgrund weiter geht. … oder, dass der Abgrund des Tagebaus der hier physisch verlaufenden 1,5°-Grenze näher kommt. Nach Ansicht vieler Menschen ist die vertragliche Verpflichtung der Nachlassverwalter der Immerather Kirchengemeinde gegenüber der RWE Power AG nichtig. Die Luft mit CO2 anzureichern, darf hier in Lützerath nach dem Pariser Klimaabkommen als sittenwidrig angesehen werden.

Spätestens mit der Formulierung entsprechender Klimaziele auch durch die 2021 ins Amt gekommene Bundesregierung hat der Vertrag zur bergbaulichen Inanspruchnahme seine Geschäftsgrundlage verloren. Diese Geschäftsgrundlage bestand in der Notwendigkeit, für das Gemeinwohl Energie herzustellen. Die Braunkohleverstromung zerstört jedoch nach heutiger Kenntnis die Grundlagen des Gemeinwohls. Für die Nachlassverwalter der Immerather Pfarrei ist die Existenz der Eibenkapelle deshalb auch ein Ort der Prüfung der Wahrhaftigkeit der päpstlichen Enzyklika Laudato Sí. „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ wird die Eibenkapelle dazu nutzen, die Vision von Papst Franziskus und vieler Menschen guten Willens wahr werden zu lassen und den Heimatplaneten zu schützen.

Die Eibenkapelle als Menetekel

Die Eibenkapelle ist für die Aktiven von KiDl

ein Ort für alle Menschen, die Stille, ihre Mitte in sich und die geheimnisvolle Mitte allen Lebens jenseits des sichtbaren Universums suchen oder sich ihrem eigenen Glauben an die Singularität dieses Universums in Gelassenheit stellen wollen,

ein Ort der Verbindung zu allen Menschen, die vor uns in Lützerath gelebt, geliebt, gearbeitet und gelitten haben und zu allen Menschen, die nach uns in Lützerath leben, lieben, arbeiten und hoffentlich nicht mehr leiden werden,

ein Ort der Verbindung zwischen verschiedenen Religionen und Weltanschauungen,

ein Ort des beseelten Kampfes für das, was ChristInnen Bewahrung der Schöpfung nennen.

 

Biblisch gesprochen:

Mene mene tekel u-parsin

מנא ,מנא, תקל, ופרסין

Gezählt, gewogen – und für zu leicht befunden.

 

Wird die Eibenkapelle zerstört, dann hat Deutschland die 1,5°-Grad-Grenze gerissen!