Predigt: Erster Gottesdienst an der Kante

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da war, der da ist und der da sein wird. 

 

Keyenberg – und die gesamte Region – ist seit vielen Jahren Ort der Klimaproteste. Aus diesem Grund sind wir heute hier, um uns damit bewusst in diese Tradition zu stellen.

© r-mediabase/H. Perschke
© r-mediabase/H. Perschke

Wir möchten diese Proteste für Klimaschutz und Gerechtigkeit stärken, und wollen deshalb heute als Christ*innen auf diesen Ort, und auf diesen Bagger hinter uns blicken. Wir glauben, dass uns alle eine gemeinsame Utopie verbindet, dass die Hoffnung der – zumeist – jungen Menschen der Klimabewegung ihre Parallele findet in dem Heilsversprechen auf Befreiung, auf eine gerechte Welt, die sich dem Reich Gottes auf Erden nähert. 

 

Dieses Versprechen gilt allen Menschen und der gesamten Schöpfung. Der Prophet Jesaja spricht: „Denn siehe, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde. Man wird nichts Böses und nichts Schlechtes mehr tun.“ (Jes 65, 17; 25)

   

Im Schöpfungsbericht heißt es vom 6. Tag: „Und Gott sah alles, was er gemacht hatte und siehe, es war sehr gut.“  Gottes gute Schöpfung kann uns, wenn wir es zulassen, immer wieder neu mit Staunen, Freude und mit Dankbarkeit erfüllen. Doch Schöpfung bedeutet mehr: in ihr äußert sich Gott, er tritt in Verbindung – sie ist Grundlage unserer Gottesbeziehung. Sie ist die Basis unseres Seins, sie bedeutet „in Beziehung leben“, denn wir Menschen sind Teil der Schöpfung, sind ebenso Geschöpfe Gottes wie unserer gesamte Mitwelt. Wenn wir sie missachten statt zu bewahren, wenn wir gegen sie leben und sie zerstören, weisen wir Gottes Fürsorge und Geschenk zurück. Wir zerstören unsere Beziehung zu uns selbst als Kinder Gottes – und damit zu Gott.

  

Wenn wir jetzt hier in Keyenberg stehen und uns das Dorf anschauen, sehen wir ein Dorf, in dem Menschen seit Generationen leben und arbeiten, das ihr Zuhause und ihre Heimat ist. Seine Verletzlichkeit kann durch nichts deutlicher gemacht werden als durch den Bagger, der sich immer weiter und scheinbar unaufhaltsam nähert. Der fruchtbare Böden, Häuser – wie aktuell in Lützerath – und auch Kirchen zerstört, wenn er nicht aufgehalten wird.

Die Möglichkeit einer Zerstörung der gesamten Schöpfung thematisiert die Bibel in der Sintfluterzählung. Aber sie bleibt letztlich eine Drohung und endet mit einem erneuerten Versprechen, das Gott Noah gab. Gott verpflichtet sich selbst in dem neuen Bund, der bereits mit der Schöpfung begann und den Gott mit Noah – und allen Menschen nach ihm – aufrichtet: „Ich richte meinen Bund mit euch auf und mit jedem lebenden Wesen. Und nie mehr soll eine Flut die Erde vernichten.“

  

Doch wie sieht es heute aus? „Wir wissen, das die gesamte Schöpfung seufzt.“ (Röm 8,22) Wir sehen es an dem Bagger, an dem gewaltigen Loch hinter uns. Es sind Sinnbilder der Zerstörung – des Dorfes, der Region und der gesamten Erde. Es sind Sinnbilder der Zerstörung des Bundes mit Gott. 

 

Paulus beschreibt im Römerbrief „das sehnsüchtige Harren der Schöpfung auf die Offenbarung der Kinder Gottes.“ (Röm 8,19) Was bedeuten diese Worte? Gott hat sein Verspreche gehalten, er hat keine alles vernichtende Gewalt mehr geschickt. Doch wir haben unseren Teil des Vertrages nicht eingehalten. Die Schöpfung wartet, dass wir unsere Geschöpflichkeit inmitten von Geschöpfen erkennen, dass wir unsere Gotteskindschaft annehmen und unsere Verantwortung übernehmen. Und nicht zuletzt: unser eigenes „sehnsüchtiges Harren“ auf Erlösung wieder spüren.

 

Der Bund, den Gott mit jedem lebenden Wesen geschlossen hat, ist nicht nur bedroht. Er wurde gebrochen – aus Hochmut und Profitgier. Papst Franziskus formuliert es so: Diese Wirtschaft tötet! Gemeint ist damit ein globales System, in dem allein der Profit zählt, in dem Geld an die Stelle mitmenschlicher Beziehungen gerückt ist. Wir alle sind darin verstrickt – vor allem wir hier im globalen Norden. Einzeln können wir uns nicht entziehen, verzweifeln wir daran und sind hilflos, so wie hier vor diesem Bagger. Und doch ist es unsere Aufgabe, diesem zerstörerischen Wagen, der scheinbar ungebremst weiter rollt, in die Speichen zu greifen (Bonhoeffer).

 

Durch Jesus Christus ist für uns Christ*innen das Heil, die Heilung in die Welt gekommen. 

In Tod und Auferstehung Jesu vergibt Gott alle Sünde, schafft Versöhnung und richtet seine Gerechtigkeit auf Erden auf. Darin gründet unsere Hoffnung auf Befreiung, und es ist an uns, Jesu Heilsgeschehen zu folgen, nicht nur in unseren Worten, sondern auch – und vor allem – in unseren Taten. Gottes Gerechtigkeit, sein Reich auf Erden, können wir nicht errichten, doch die Evangelien rufen uns auf, jeden Tag, jede Stunde, das Kommen unseres Herrn zu erwarten – und sein Haus gut vorzubereiten, indem wir auch dem kleinsten Mitgeschöpf mit Achtung und Fürsorge begegnen (Mt 24).

 

© Der Pilger
© Der Pilger

Daher sind wir aufgerufen, aufzustehen gegen Klimazerstörung und Ungerechtigkeit – hier und an allen anderen Orten. Wir sind aufgerufen, uns gemeinsam mit anderen Menschen laut und sichtbar einzusetzen für eine andere, gerechtere Welt, die vorbereitet ist auf das Kommen der Gerechtigkeit Gottes. Es ist keine leichte Aufgabe, vieles, was uns selbstverständlich scheint, müssen wir in Frage stellen. Doch wir sind nicht allein, wir sind verbunden mit viele anderen Menschen auf der Welt und wir werden immer mehr.

 

Wenn wir den Ruf annehmen, dann ist uns Gottes Hilfe gewiss, und an einem klaren, neuem Himmel wird der Regenbogen wieder erscheinen.

 

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.